Der Spuk dauerte eigentlich nur einen Tag. Doch dafür hat er für ziemliche Verunsicherung bei Bewohnern des Kücknitzer Ortsteils Dummersdorf gesorgt: Am Sonnabendabend klingelten Mitarbeiter der Stadtwerke Lübeck an den Haustüren im Neuenteilsredder und verteilten Handzettel. Es sei zu einer Verkeimung des Trinkwassers gekommen, bis zum Nachweis der Unbedenklichkeit müsse das Trinkwasser drei Minuten lang abgekocht werden. Weitere Erklärungen wie beispielsweise die, dass es sich um eine reine Vorsorgemaßnahme handelt, erfolgten nicht.
Ein Anwohner: „Hätte das auf dem Zettel gestanden, wäre man vielleicht nicht so beunruhigt gewesen.“ Auch Magdalena (33) und Salvatore Carta (38) mit ihrer kleinen Tochter Emilia (anderthalb) waren verunsichert. „Muss man das nun immer noch abkochen?“, fragte sich die junge Mutter gestern. Unglücklicherweise war auch die Notrufnummer der Stadtwerke nicht korrektgeschaltet, so dass besorgte Anwohner nur ein Band mit der Ansage „Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an“ hörten. Eigentlich hätten sie zur rund um die Uhr besetzten Leitwarte durchgestellt werden sollen. „Ein Versehen, für das wir uns nur entschuldigen können“, sagt Stadtwerke-Sprecher Lars Hertrampf.
Dass eine Anwohnerin, die am Freitag Leitungswasser getrunken hatte, anschließend über Übelkeit und Erbrechen klagte, und ihr Sohn bereits am Mittwoch ähnliche Symptome aufwies, könne nicht in Zusammenhang mit den Keimen im Wasser stehen. „Wir haben Donnerstag zwei bis drei coliforme Bakterien gefunden, am Freitag einen Escherichia-coli-Keim.“ Die Belastung müsse um ein mehr als hundertfach Höheres ausfallen, damit man davon überhaupt etwas merke. Bereits am Sonnabend, als man die Zettel verteilte, seien die Proben wieder frei von schädlichen Bakterien gewesen. Da die Proben jedoch erst einen Tag „ausgebrütet“ werden müssten, gebe das Ergebnis immer den Zustand des Vortages wieder. Seit Sonnabend sei also alles im grünen Bereich. Noch gestern haben die Stadtwerke das Abkochgebot wieder aufgehoben.
Wie der Escherichia-coli-Keim ins Trinkwasser geraten ist, kann der Stadtwerke-Sprecher auch nicht eindeutig erklären. Da man die Proben aber meist an den im Boden eingelassenen Hydranten entnehme, sei es vorstellbar, dass beispielsweise ein Hund sein Geschäft über dem Hydranten gemacht habe. Die anderen coliformen Keime hingegen könnten sich an den Wasserrohren abgesetzt haben und durch die Rohrspülung freigeschwemmt worden sein. Hertrampf: „Das Wasser ist wieder einwandfrei, dafür spülen wir ja die Rohre.“ Seit Anfang September sind die Stadtwerke mit der Reinigung der Wasserleitungen im Stadtteil Kücknitz und auf dem Priwall zugange. Voraussichtlich bis Mitte November werden die Arbeiten andauern. In den Folgejahren sind die übrigen Stadtteile dran.
Doch noch in dieser Woche, genau gesagt morgen und übermorgen, sind die Trave-Grund- und Gemeinschaftsschule sowie das Trave-Gymnasium betroffen. Erst am vergangenen Freitag erfuhr Schulleiterin Karin Gramer davon, dass Mittwoch am Kirchplatz und Donnerstag im Schulzentrum während des Unterrichts wegen der Spülung die Wasserversorgung eingestellt werden sollte. „Das ist nicht sehr umsichtig gedacht“, sagt Gramer, denn mehrere hundert Kinder, die nicht auf die Toilette gehen könnten, würden schon ein Problem darstellen. Erst auf Gramers Intervention hin planten die Stadtwerke um: Jetzt soll jeweils nachmittags gespült werden. Ähnlich wollen die Stadtwerke mit allen Schulen und Kindergärten verfahren. „Wo das nicht geht, werden wir eine Ersatzversorgung aufbauen“, erklärt Hertrampf.
Letzteres war zunächst nur für Altenheime und Kliniken geplant.
Keime und Grenzwerte
Die Trinkwasserverordnung hat für bestimmte Bakterien einen Grenzwert von null. Das heißt: Wird auch nur ein Escherichia-coli-Keim (Darmbakterien von Mensch und Tier), ein coliformer Keim (Indikatoren für Hygiene) oder ein Enterokokken-Keim (kommen in der Umwelt, beim Tier und beim Menschen sowie in Lebensmitteln wie Käse oder Rohwürsten vor) auf 100 Milliliter Wasser entdeckt, muss aus Vorsorge sofort ein Abkochgebot erlassen werden.
Sabine Risch