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Donnerstag, 27. November 2014

Die Gefahr lauert auf dem Schneidebrett

http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Die-Gefahr-lauert-auf-dem-Schneidebrett/story/10455186

Die Gefahr lauert auf dem Schneidebrett
Resistente Superkeime werden leicht von Mensch zu Mensch übertragen. Eine neue Studie zeigt, wie sie sich verbreiten - und auch in unsere Küchen vordringen.

Keimschleuder Küchenbrett: Auf 12 Prozent aller Schneidebretter, auf denen Geflügel geschnitten wird, bleiben multiresistente Supererreger zurück.


Keimschleuder Küchenbrett: Auf 12 Prozent aller Schneidebretter, auf denen Geflügel geschnitten wird, bleiben multiresistente Supererreger zurück.
Von Felix Schindler
Redaktor Inland
@f_schindler17:17

Sie sind bloss vier oder fünf Tausendstel Millimeter gross – und scheinen einen ungeheuren Überlebenswillen zu haben. Sie eignen sich ständig neue Fähigkeiten an, um ihre Feinde abzuwehren. Nicht mit klassischer Verteidigung, sie zerstören ihre Widersacher. Das Bakterium Escherichia coli, das die sogennante Resistenz ESBL bildet, ist ein multiresistenter Superkeim.
E. coli leben friedlich im Darm von Menschen und Tieren. Ausserhalb ihres Zuhauses sind sie Verursacher von Blutvergiftungen und zahlreichen Infektionen, etwa an den Harnwegen oder der Gallenblase. Das war lange kaum ein Problem: Bis vor 10 Jahren konnten 99 Prozent dieser Mikroorganismen mit Antibiotika bekämpft werden. Heute sind bereits 10 Prozent dieses Typs resistent gegen zahlreiche Wirkstoffe. Die Zahl der Keime, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist, nimmt ständig zu. Wegen multiresistenten Keimen wie diesen sterben jedes Jahr rund 2000 Menschen in der Schweiz.
Jedes zweite Paar Handschuhe verseucht
Bisher war bekannt, dass die Übertragung von E. coli von Mensch zu Mensch erfolgt, etwa beim Händeschütteln. Inzwischen haben Wissenschafter des Universitätsspitals Basel und der Universität Zürich einen weiteren Übertragungsweg nachgewiesen: die Küche. Sie untersuchten 298 Schneidebretter, 154 stammten aus Krankenhausküchen, 144 aus privaten Haushalten. Auf jedem zwanzigsten entdeckten die Forscher brandgefährliche Keime, sogenannte ESBL-bildende Keime. Dies geht aus einer im Mai in einem Fachjournal publizierten Studie hervor. Sämtliche Funde haben eines gemeinsam: Auf jedem kontaminierten Schneidebrett wurde zuvor Geflügel verarbeitet. Rind, Schwein, Lamm, Wild, Fisch und Gemüse hinterliessen keine ESBL-Bildner.
Das heisst: Auf 12 Prozent aller Schneidebretter, auf denen Geflügel geschnitten wurde, setzte sich der lebensgefährliche Keim ab. Die Zahl von kontaminierten Küchenutensilien war in Spitalküchen fast doppelt so hoch wie in privaten. Noch eindeutiger fiel die Analyse von Latexhandschuhen aus den Spitalküchen aus: Jedes zweite Paar Handschuhe, das für die Verarbeitung von Geflügel verwendet wurde, war mit ESBL-bildenden Bakterien verseucht. Die Forscher kamen zum Schluss: «Unsere Studie liefert den Nachweis, dass Küchengeräte und Hände leicht mit ESBL-bildenden E. coli kontaminiert werden, wenn damit rohes Geflügel verarbeitet wird. Dies stellt eine wichtige potenzielle Ursache für die weitere Übertragung sowohl in Spitalküchen als auch in privaten Haushalten dar.»
Strategie gegen Superkeime soll nächstes Jahr verabschiedet werden
Die Resultate der Studie sind allerdings nicht ganz so bedrohlich, wie es im ersten Moment klingt. Der Keim kann von Händen und Schneidebrett weggeschrubbt und beim Waschen bei mindestens 60 Grad abgetötet werden – nur abspülen oder abwischen reicht nicht. So halten es die Forscher für wahrscheinlich, dass die Hygienemassnahmen in vielen Küchen lückenhaft sind und der Verbreitung von weiteren multiresistenten Kulturen Vorschub geleistet wird.
Der Bund erarbeitet seit letzten Sommer eine Strategie, wie er der wachsenden Bedrohung durch antibiotikaresistente Erreger begegnen will. Die Verabschiedung der Strategie gehört zu den Zielen des Bundesrates für das kommende Jahr, die er gestern veröffentlicht hat. Wie einschneidend die Forderungen der Strategie sein werden, ist derzeit noch offen. In den vergangenen Jahren hatte das Parlament jeweils konkrete Massnahmen vorgeschlagen, etwa ein Gütesiegel für antibiotikafreies Fleisch oder eine Meldepflicht für gewisse Infektionen. Diese Anregungen hat der Bundesrat stets zurückgewiesen. (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)
(Erstellt: 27.11.2014, 15:52 Uhr)



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