Die Gefahr lauert auf dem Schneidebrett
Resistente Superkeime werden leicht von Mensch zu
Mensch übertragen. Eine neue Studie zeigt, wie sie sich verbreiten - und auch
in unsere Küchen vordringen.
Keimschleuder Küchenbrett: Auf 12
Prozent aller Schneidebretter, auf denen Geflügel geschnitten wird, bleiben
multiresistente Supererreger zurück.
Sie sind bloss vier oder fünf
Tausendstel Millimeter gross – und scheinen einen ungeheuren Überlebenswillen
zu haben. Sie eignen sich ständig neue Fähigkeiten an, um ihre Feinde
abzuwehren. Nicht mit klassischer Verteidigung, sie zerstören ihre Widersacher.
Das Bakterium Escherichia coli, das die sogennante Resistenz ESBL bildet, ist
ein multiresistenter Superkeim.
E. coli leben friedlich im Darm von
Menschen und Tieren. Ausserhalb ihres Zuhauses sind sie Verursacher von
Blutvergiftungen und zahlreichen Infektionen, etwa an den Harnwegen oder der
Gallenblase. Das war lange kaum ein Problem: Bis vor 10 Jahren konnten 99
Prozent dieser Mikroorganismen mit Antibiotika bekämpft werden. Heute sind
bereits 10 Prozent dieses Typs resistent gegen zahlreiche Wirkstoffe. Die Zahl
der Keime, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist, nimmt ständig zu. Wegen
multiresistenten Keimen wie diesen sterben jedes Jahr rund 2000 Menschen in der
Schweiz.
Jedes zweite Paar
Handschuhe verseucht
Bisher war bekannt, dass die
Übertragung von E. coli von Mensch zu Mensch erfolgt, etwa beim Händeschütteln.
Inzwischen haben Wissenschafter des Universitätsspitals Basel und der
Universität Zürich einen weiteren Übertragungsweg nachgewiesen: die Küche. Sie
untersuchten 298 Schneidebretter, 154 stammten aus Krankenhausküchen, 144 aus
privaten Haushalten. Auf jedem zwanzigsten entdeckten die Forscher brandgefährliche
Keime, sogenannte ESBL-bildende Keime. Dies geht aus einer im Mai in einem
Fachjournal publizierten Studie hervor. Sämtliche Funde haben eines gemeinsam:
Auf jedem kontaminierten Schneidebrett wurde zuvor Geflügel verarbeitet. Rind,
Schwein, Lamm, Wild, Fisch und Gemüse hinterliessen keine ESBL-Bildner.
Das heisst: Auf 12 Prozent aller
Schneidebretter, auf denen Geflügel geschnitten wurde, setzte sich der
lebensgefährliche Keim ab. Die Zahl von kontaminierten Küchenutensilien war in
Spitalküchen fast doppelt so hoch wie in privaten. Noch eindeutiger fiel die
Analyse von Latexhandschuhen aus den Spitalküchen aus: Jedes zweite Paar
Handschuhe, das für die Verarbeitung von Geflügel verwendet wurde, war mit
ESBL-bildenden Bakterien verseucht. Die Forscher kamen zum Schluss: «Unsere
Studie liefert den Nachweis, dass Küchengeräte und Hände leicht mit
ESBL-bildenden E. coli kontaminiert werden, wenn damit rohes Geflügel
verarbeitet wird. Dies stellt eine wichtige potenzielle Ursache für die weitere
Übertragung sowohl in Spitalküchen als auch in privaten Haushalten dar.»
Strategie gegen
Superkeime soll nächstes Jahr verabschiedet werden
Die Resultate der Studie sind
allerdings nicht ganz so bedrohlich, wie es im ersten Moment klingt. Der Keim
kann von Händen und Schneidebrett weggeschrubbt und beim Waschen bei mindestens
60 Grad abgetötet werden – nur abspülen oder abwischen reicht nicht. So halten
es die Forscher für wahrscheinlich, dass die Hygienemassnahmen in vielen Küchen
lückenhaft sind und der Verbreitung von weiteren multiresistenten Kulturen
Vorschub geleistet wird.
Der Bund erarbeitet
seit letzten Sommer eine Strategie, wie er der wachsenden Bedrohung durch
antibiotikaresistente Erreger begegnen will. Die Verabschiedung der Strategie
gehört zu den Zielen des Bundesrates für das kommende Jahr, die er gestern
veröffentlicht hat. Wie einschneidend die Forderungen der Strategie sein
werden, ist derzeit noch offen. In den vergangenen Jahren hatte das Parlament
jeweils konkrete Massnahmen vorgeschlagen, etwa ein Gütesiegel für
antibiotikafreies Fleisch oder eine Meldepflicht für gewisse Infektionen. Diese
Anregungen hat der Bundesrat stets zurückgewiesen. (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)
(Erstellt: 27.11.2014, 15:52 Uhr)